"Digitale Transformation" bei der IHK Reutlingen
Während ganz Digitalschland in Berlin auf der re:publica abfeiert, war ich auf einer Veranstaltung der IHK Reutlingen. Thema war "Digitale Transformation - Chancen und Herausforderungen für Unternehmen". Organisiert wurde die Veranstaltung von Dr. Kirstin Schreiber im Rahmen des IHK Netzwerk IT, TK & Multimedia und deren Initiative "IT-Kooperationsraum Neckar-Alb".
Der erste Vortrag von Prof. Dr. Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim handelte von Disruptiven Innovationen, welche die globale Wirtschaft verändern. Hängen geblieben ist, dass sich unsere Welt in allen Lebensbereichen rasant verändert. Erschreckend dabei vor allem die Entwicklung der Waffen (Predator-Drohnen mit Handyortung, Kampfroboter von zum Google-Konzern gehörendem Unternehmen Boston Dynamics). Auf der anderen Seite die zivilen Entwicklungen wie der Serviceroboter Pepper, Assistenzroboter für Kranke oder individuell gedruckte Medikamente. In den nächsten 5-20 Jahren werden in vielen Bereichen disruptive Innovationen im Mainstream ankommen. Fast alles wird sich ändern - die Technik hat dabei für viele bereits die Grenzen des erfassbaren überschritten. Das wird alles noch viel mehr, viel schneller werden. Voraussagen finden sich zum Beispiel auf http://accelerating.org/ - laut Professor Kölmel mit erstaunlicher Trefferquote. Ebenfalls empfohlen wurde das Buch "Das Ende des Zufalls", welches sich mit Datenauswertungen und daraus hervorgehenden Voraussagen beschäftigt.
Auch wenn inhaltlich für mich nicht viel neues dabei war, so war der Vortrag gut strukturiert und spannend vorgetragen. Weniger provokant als anfangs angekündigt, aber gut auf den Punkt gebracht: Die Welt verändert sich, und Unternehmen die nicht zu Digitalunternehmen werden haben wenig/keine Überlebenschancen.
Es folgte Prof. Dr. Thorsten Riemke-Gurzki von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Ihm ging es um die Veränderungen am Arbeitsplatz und auch um den Wandel der Arbeit an sich. Als ein Beispiel für die veränderte Welt nannte er das Projekt http://www.getneptune.com/ in dem ein einzelner junger Mensch eine SmartWatch entwickelte. Natürlich nicht alleine, aber ohne große Firmenstruktur, sondern durch die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung. Diese Vernetzung forciert Professor Riemke-Gurzki auch intern für Unternehmen, in Social Intranets. Der "Digital Workplace" benötigt den oft unterschätzten Spassfaktor. "Jedes Unternehmen kriegt das Intranet, das es verdient." Fehlen Funktionen firmenintern, werden von den Mitarbeitern kurzerhand externe Dienste benutzt. Viele Geschäftsführer wissen garnicht, dass sich die Mitarbeiter selbst in WhatsApp-Gruppen oder anderen Tools organisieren. Einfach zu sagen "Nein, das brauchen wir nicht" birgt hier große Gefahren für die Unternehmen. "Wer Industrie 4.0 sein will, braucht auch eine Kultur 4.0", sagt Professor Riemke-Gurzki.
Dieser Vortrag war inhaltlich ebenfalls sehr gut und sollte einige Unternehmensführer wach machen. Auf der Website des Vortragenden finden sich viele Informationen und auch seine Buchtipps. Leider fand ich es persönlich hier etwas schwierig zu folgen, da die Sprechgeschwindigkeit recht langsam war. Zeitweise hatte ich das Gefühl, er wollte seine Inhalte in die Länge ziehen, da er seinen Zeitslot sonst nicht füllen kann. Das scheint mir eher abwegig. Bis auf diese sehr subjektive Einschränkung ein wertvoller Vortrag, der für viele Geschäftsführer wichtig wäre.
Nach einer kurzen Pause kam dann noch Lothar Stülb von Klimesch mit einem Vortrag zum IT-Fachkräftemangel. Seine Thesen in aller Kürze:
- Mitarbeiterfluktuation wird steigen
- Recruiting war gestern
- Der "Talent for war" ist vorbei, das Talent hat gewonnen
- Statt Arbeitgebermarkt sind wir in einem Kandidatenmarkt
- Unternehmen müssen aktive Personalakquise betreiben
- Unternehmen bewerben sich bei potentiellen Mitarbeitern, nicht anders herum
- Mitarbeiter halten wird ein wichtiges Thema sein
Durch Geschichten aus der Realität angereichert, hat dieser Vortrag Spaß gemacht. Er hätte etwas kürzer sein dürfen. Inhaltlich wurden mir ein paar Meinungen bestätigt und die prognostizierte Entwicklung hört sich positiv an. Für Arbeitgeber wird es zwar anstrengender, aber das ist okay. Ein Zuhörer reagierte sehr kritisch auf den Vortrag. Ich vermute, diesem laufen die Mitarbeiter davon, was Ihn natürlich stört. Verständlich, und meiner Meinung nach ein Zeichen, dass er dringend Änderungen in der Kultur seines Unternehmens einführen muss.
Ich war mit wenig Erwartungen zu dieser Veranstaltung gegangen. Am Ende muss ich sagen, es waren spannende Themen und gute Vortragende. Die Vorträge waren für eine breitere Zielgruppe geeignet, die meisten IT-Menschen dürften (hoffentlich) das meiste erzählte schon gewusst haben. Geschäftsführer noch wenig digital arbeitender Unternehmen könnten aus dieser Vortragszusammenstellung sicherlich viel mehr mitnehmen. Auf jeden Fall müssen Unternehmen, insbesondere auch die Unternehmen der Region Neckaralb, schnell den Weg zur Digitalisierung einschlagen. Sonst werden Sie nicht lang bestehen.
Ich freue mich auf Diskussionen in den Kommentaren. Schreib doch gleich mal einen.